So verhalf ein Undercut Vettel zum Sieg

Bislang ohne den grossen Erfolg in der Saison 2019, kam der erste Sieg für Vettel durch eine strategische Finesse während des Nachtrennens beim Grossen Preis von Singapur.

Zeitgleich ist Teamkollege Charles Leclerc weniger glücklich, denn eigentlich hätte ihm der Erfolg zugestanden.

sieg vettelEntsprechend verhalten feierte Sebastian Vettel. In der sonst so euphorischen Ferrari-Box war offensichtlich auch niemand zu frenetischem Jubel aufgelegt.

Dass hier Renn-Schach beim Sieg von Vettel entscheidend war, konnte auch überdeutlich am Gesicht von Leclerc abgelesen werden. Dieser wurde zwar Zweiter, machte aber den Eindruck, als hätte er das Rennen auf dem letzten Rang beendet.

Mercedes verpennt Siegchance

Was sich die Rennstrategen im Silberpfeil-Rennstall ab Runde 16 gedacht haben, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.

Zu diesem Zeitpunkt klaffte unübersehbar eine mehr als neun Sekunden grosse Lücke zwischen Lance Stroll von Racing Point und Romain Grosjean aus dem Rennstall Haas.

Statt zu reagieren und Lewis Hamilton mit einem frühzeitigen Boxenstopp, dem sogenannten Undercut zum Sieg zu verhelfen, verschliefen die Renningenieure die Gelegenheit.

Und das obwohl Hamilton per Funk den Undercut vehement gefordert hatte.

Aus dem Motorsportlexikon: Als Undercut, wie beim Sieg von Vettel meisterlich von Ferrari genutzt und von Mercedes verschlafen, wird ein vorgezogener Boxenstopp bezeichnet; ausschliesslich bei Rundstreckenrennen. Dabei ist das Ziel dieses taktischen Tricks, den Fahrer ohne Überholmanöver zu einer besseren Platzierung zu verhelfen.

Das Pendant dazu ist der Overcut. Dabei wird ein Boxenstopp entgegen der eigentlichen Renn-Strategie so lange hinausgezögert wie irgend möglich; beispielsweise um einer Gruppe von zu überrundenden Fahrern aus dem Weg zu gehen.

Vettel nutzt die Chance

Der Sieg von Vettel ist ein direktes Resultat dieser krassen Fehlentscheidung der Führung bei Mercedes. Denn der Deutsche wartete nun seinerseits auf die passende Lücke.

Die kam schon vier Runden später, wobei dann Leclerc das Nachsehen hatte.

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  • Erst zwei Kurven vor der Boxeneinfahrt erhielt Vettel die Aufforderung «Pit«, also den Befehl zum Reifenwechsel in die Box zu fahren.

    sieg vettelZu diesem Zeitpunkt hatten Leclerc und Hamilton die Einfahrt in die Boxengasse gerade passiert.

    Die harten Pneu wurden reibungslos und blitzschnell auf Vettels Rennboliden aufgezogen.

    Der Ferrari-Pilot tat seinen Beitrag, denn mit den neuen Pirellis pushte er massiv, was ihm letztendlich die Führung einbrachte.

    Allerdings waren ein paar Minuten des Bangen zu überstehen.

    Wäre direkt nach Vettels Boxenstopp das Safety Car auf die Rennstrecke geschickt worden, wäre der Rennausgang ganz sicher kein Sieg von Vettel gewesen. Doch kein Safety Car war in Sicht, womit dem Sieg von Vettel nichts mehr im Weg stand.

    Pulverfass bei der Pressekonferenz

    Es war unübersehbar, dass der zweitplatzierte Charles Leclerc mit dem Ausgang des Rennens und insbesondere mit dem Sieg von Vettel mehr als unzufrieden war.

    Schliesslich war der Franzose von der Pole gestartet. Bis zum taktischen Schachzug des Undercut in Runde 20 konnte Leclerc eigentlich davon ausgehen, den Grossen Preis von Singapur sicher zu gewinnen.

    Auch beim üblichen Siegerfoto nach dem Rennen mit dem gesamten Team sah sein Lächeln aufgesetzt und eher eisig als freundlich aus.

    So forderte er nach dem Sieg von Vettel prompt Erklärungen dafür, warum so entschieden wurde.

    Der Deutsche hingegen provozierte seinen jungen Teamkollegen, denn schon während der Pressekonferenz liess eine direkt und unüberhörbar an Leclerc gerichtete Mahnung fallen:

    «Du irrst dich gewaltig, wenn du jemals denkst, dass du grösser als dieses Team bist!»

    Vettels schwerer Stand gegen Leclerc

    Mit dem Sieg von Vettel in Singapur sieht der vierfache Formel 1-Weltmeister erstmals in dieser Saison das Blaue am Himmel.

    Einstmals der jüngste Weltmeister der Formel 1-Geschichte, muss sich der inzwischen 32-jährige gegen ein junges Talent wehren.

    Leclerc hat ihn bei jedem Qualifying hinter sich gelassen. Es lässt sich gut vorstellen, dass der erfolgsverwöhnte Deutsche mit dieser Situation hadert.

    Andererseits ist Leclerc pfeilschnell, ambitioniert und überaus ehrgeizig.

    sieg vettelDer elf Jahre jüngere Franzose, dessen kleiner Bruder Arthur in der Formel 4 für Furore sorgt, will um jeden Preis gewinnen.

    Und er hat bewiesen, dass er das Talent dazu hat und schneller ist als sein erfahrener Stallkollege. Immerhin lag er bei allen Qualifikationen am Ende vor Vettel, teils überdeutlich.

    Fazit: Ferrari kreiert mit dem Sieg von Vettel eine Rote Bombe

    Beide Ferrari Piloten, Vettel und auch Leclerc, sind nicht gerade dafür bekannt, mit ihrer Meinung hinter dem Berg zu halten.

    Bereits kurz nach dem Sieg von Vettel war das Medieninteresse an der Scuderia rasant gestiegen – nicht nur wegen des Doppelsiegs beim Grossen Preis von Singapur.

    Die Journalisten warteten darauf, dass es offen zum gewaltigen Krach kommt.

    Die Weichen dazu hat Ferrari selbst gestellt. Es müssen schon besondere Gründe vorliegen, wenn ein Fahrer in absolut aussichtsreicher Position durch taktische Eingriffe um den sicheren Erfolg gebracht wird – und dies vom eigenen Team.

    Medien und Fans dürfen gespannt sein, was bei den kommenden Rennen geschehen wird.

    Sollte die Ferrari-Führung nicht in der Lage sein, Charles Leclerc zu besänftigen, wird wohl bereits ein kleiner Funke ausreichen, um die Bombe im roten Renndress zur Explosion zu bringen.

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