Das legendäre Autorennen von Peking nach Paris im Jahr 1907 ist ein Meilenstein in der Geschichte der Anfänge des Motorsports. Die Wettfahrt wird heute alle drei Jahre als Oldtimerfahrt, die auch durch die Schweiz führt, wiederbelebt, zuletzt 2016. Und Schweizer Teams fahren natürlich regelmäßig mit. Grund genug, einmal auf die Anfänge des Motorsports zurückzublicken.
Peking-Paris: über 10.000 Kilometer
Gut 16.000 Kilometer in einem Oldtimer zurücklegen, ist keine Kleinigkeit. Manche würden so eine Strecke nicht einmal in einem modernen Auto bewältigen wollen.
Und schon gar nicht, wenn das eigene Zelt im Auto mittransportiert werden muss. Auf der Oldtimer-Rallye Peking-Paris müssen in den Autos zusätzlich Schlafsäcke und Ersatzteile, auch Autoreifen, mitgeführt werden.
Vorteile gegenüber 1907 sind teilweise asphaltierte Straßen und Tankstellen. Und letztendlich sorgt die moderne Kommunikationstechnik dafür, dass man im Fall der Fälle Hilfe anfordern kann.
Von Nomaden gerettet
Ein Handy oder eine GPS-Ortung hätte sich auch Auguste Pons mit seinem dreirädrigen Contal 1907 gewünscht. Zwar vereinbarten die fünf ersten Teilnehmer möglichst Kontakt zu halten, aber kurz nach Peking hatten sich Pons und Collignon, der einen Dion fuhr, bereits verfahren.
Die anderen drei Teilnehmer warteten und gegen Mittag, die Fahrt ging um 8 Uhr in Peking los, konnte die Fahrt weitergehen.
Pons musste aber nach einer Woche endgültig aufgeben. Dem Verdursten nahe brachten ihn Nomaden, die ihn gefunden hatten, nach Peking zurück. Und Dank der transsibirischen Eisenbahn war er der Erste, der nach Paris kam, allerdings ohne sein Auto.
Grund für die Aufgabe waren die Treibriemen des Dreirads. Hochgeschleuderte Steine rissen sie immer wieder los.
Kein Wunder, denn gefahren wurde nicht auf Straßen, sondern auf uralten Karawanenwegen. Sand, Steine und andere Unwegsamkeiten inklusive.
Le Matin gab den Startschuss
Die Idee zu diesem strapaziösen Wettstreit stammte von der Pariser Zeitung Le Matin. Sie forderte am 31. Jänner 1907 die Autopioniere mit der provokanten Frage: «Wer will im Sommer von Peking nach Paris mit dem Automobil fahren?» heraus.
40 Teilnehmer meldeten sich, alle mit dem Ziel, die Strecke zu schaffen. Am Start in Peking fanden sich fünf Teams ein, die anderen schafften den Schifftransport der Motorwagen in die chinesische Hauptstadt nicht.
Offiziell wurde deswegen die Fahrt von der Rennleitung auch abgesagt. Das war kein Hinderungsgrund für die fünf Teams. Sie starteten am 10. Juni 1907 pünktlich um 8 Uhr Richtung Paris.
Am 10. August 1907, zwei Monate nach dem Start in Peking, erreichten Scipione Borghese und Ettore Guizzardi, zusammen mit dem Journalisten Luigi Barzini vom Corriere della Sera, Paris. Die Sieger fuhren einen Itala mit 45 PS und 7.433 Hubraum.
Den zweiten Platz mit einem Rückstand von 20 Tagen belegten Charels Goddard und Jean du Tallis mit einem Spyker.
1907 – keine Straßen und fast keine Orientierungshilfen
Da es keine Regeln für das Rennen gab, konnte auch nach Unfällen und/oder Pannen weitergefahren werden. So brach beispielsweise der Itala des Fürsten Borghese und seines Chauffeurs Ettore Guizzardi auf einer Brücke ein. Oder das Auto wurde im unwegsamen Gelände gezogen.
Für die Route selbst hatten die Fahrer keine Unterstützung durch Vorausteams oder Wegweiser. Auf verlässliches Kartenmaterial musste ebenso verzichtet werden. So fuhren die fünf Teilnehmer durch ihnen völlig unbekannte Länder und Regionen, in denen es keine Straßen gab und Automobile nicht einmal bekannt waren.
Neben diesen Unwägbarkeiten kämpften die Fahrer mit Matsch, Treibsand, tiefe Schluchten und brückenlosen Bächen und Flüssen. Bedingungen, für die die Autos nicht konstruiert worden waren.
Für die Treibstoffversorgung wurden Benzinfässer mit Kamelen von Peking zu Tankstationen gebracht, die extra für das Rennen eingerichtet wurden.
Motorwagen-Rennen als Zuverlässigkeitsprüfung
Die Anfänge des Motorsports reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Als Autorennen kann man diese Wettbewerbe jedoch noch nicht bezeichnen, eher als Kuriositätenkabinette oder milder ausgedrückt als Zuverlässigkeitstests, so standen der Fahrkomfort und die Widerstandskraft des Automobils im Vordergrund.
Als Geburtsjahr des modernen Automobils mit Verbrennungsmotor gilt heute das Jahr 1886. Damals meldete der deutsche Erfinder Carl Benz seinen Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 zum Patent an, das ihm am 2. November 1886 erteilt wurde.
Der Motorsport ging aus Wettfahrten der ersten Automobilbesitzer hervor. Bei diesen Wettfahrten, die auf schlechten Straßen stattfanden, ging es nicht um Geschwindigkeit, sondern um die Zuverlässigkeit und Widerstandskraft des neuen Fortbewegungsmittels.
So waren die Konkurrenten nicht die Fahrer anderer Autos, sondern Reiter, Fahrradfahrer und sogar Eisenbahnen. Letztere wurden allerdings nur auf Nebenstrecken der Eisenbahnen ausgetragen.
Überlegen waren die Automobile bei den Anfängen des Motorsports ihren Mitstreitern bei den Spitzengeschwindigkeiten, in Bezug auf Ausdauergeschwindigkeiten wurde allerdings kein gutes Ergebnis erzielt. Mangelnde Fahrzeugtechnik sowie ein fehlendes Tankstellennetz – den nötigen Kraftstoff holten sich die Fahrer aus der Apotheke – zählten damals zu den Problemen der Autofahrer.
Außerdem waren die Kraftwagen nicht als Rennwagen konzipiert, sondern sollten den Fahrkomfort im Vergleich etwa zum Fahrrad erhöhen. Trotzdem, publikumswirksam waren die Wettfahrten allemal.
So sammelten sich vor den Tankstellen, pardon Apotheken, häufig staunende Menschentrauben an, die von den meist adeligen Dandys mit ihren stinkenden, knatternden Gefährten fasziniert waren.
136 Kilometer von Paris nach Rouen
Als erster offizieller Wettbewerb in Sachen Motorsport gilt die Fahrt von Paris nach Rouen im Jahre 1894, bei der eine Strecke von gut 130 Kilometern zurückgelegt werden musste.
Als Autorennen im heutigen Sinn ist der Wettbewerb nicht zu bezeichnen. Vielmehr handelte es sich um eine Art Zuverlässigkeitstest.
Da der Sieger des Rennens nach einer komplizierten Punktebewertung ermittelt wurde, spielte es auch keine Rolle, ob man als Erster oder Letzter ins Ziel kam. Im Vordergrund bei der Punktewertung stand neben der Zuverlässigkeit auch der Preis des Motorwagens.
Am Start waren rund 40 Fahrzeuge, darunter tonnenschwere Dampfungetüme, fliegengewichtige Dreiräder, Riesenbusse und filigrane Benzinkutschen. Als ganz eigenartiges Bild und mir unvergesslich, so beschrieb ein gewisser Paul Daimler einige Jahre später den Anblick des Teilnehmerfeldes, der gemeinsam mit seinem Sohn Paul dem Pionierrennen beiwohnte.
Strassen- und Rundstreckenrennen
Die Anfänge des Motorsports waren Strassenrennen wie das Stadt-zu-Stadt-Rennen von Paris nach Rouen.
Das erste Bergrennen mit einer Fahrstrecke von 17 Kilometern fand 1897 statt und führte von Nizza zum Bergdorf La Turbie.
Auch wurde ein Wettbewerb für die Strecke Paris-Madrid ausgeschrieben. Das Rennen, das 1903 ausgetragen wurde, musste jedoch vorzeitig abgebrochen werden, da es zu mehreren tödlichen Unfällen kam. Unter den Todesopfern war auch Marcel Renault, einer der drei Brüder, die 1899 die Renault-Werke gegründet hatten.
Dies hatte zur Folge, dass man sich auf eher kürzere Strecken konzentrierte, die mehrmals absolviert werden mussten. So entstanden die Rundrundstreckenrennen.
Der weltweit erste Grand Prix wurde 1906 in Le Mans ausgetragen. Am Start waren 32 Automobile aus zwölf Teams, die den 103 Kilometer langen Kurs zwölfmal umrunden mussten. Das Rennen wurde an zwei Tagen im Juni durchgeführt, gefahren wurde auf abgesperrten Straßen.
Der Sieger war der Mechaniker Ferenc Szisz, in einem Renault mit 90 PS. Der französische Autorennfahrer mit ungarischer Herkunft erreichte eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 101 km/h. Seine Fahrzeit betrug gute 12 Stunden.