Die Formel-1-Boliden 2017: Schneller, breiter, aggressiver

Mit Spannung waren die ersten Tests und die ersten Boliden für die Formel-1-Saison 2017 in Barcelona erwartet worden. Denn angesichts der umfangreichen Reglementänderungen stellen sich für die Fans zahlreiche Fragen: Wird Mercedes seine Dominanz auch weiterhin behaupten können? Wie wirken sich die breiteren Reifen und die Änderungen am Chassis wirklich aus? Gibt es einen «Shooting-Star», der die großen Drei – neben Mercedes auch Red Bull und Ferrari – heuer unter Druck setzen kann? Wir bieten Ihnen einen Überblick auf Basis der ersten beiden Testwochen.

Weniger Top-Speed, aber bessere Rundenzeiten

Vergleicht man Top-Speed und Rundenzeiten mit den vergangenen Jahren, so macht sich das neue Reglement für das Chassis deutlich bemerkbar: Die Autos sind in Summe deutlich schneller – im Schnitt rund drei Sekunden -, gleichzeitig haben sie aber an Top-Speed eingebüßt.

Was auf den ersten Blick paradox wirkt, hat einen logischen Hintergrund: Es sind vor allem die Reifen. Denn die neuen breiteren Pneus sorgen zwar für eine bessere Bodenhaftung in den Kurven, verursachen aber auf der Geraden mehr Rollwiderstand.

Die Kurvengeschwindigkeiten haben sich dadurch stark erhöht, was trotz des Geschwindigkeitsdefizits auf der Geraden auf einer kurvenreichen Strecke wie in Barcelona automatisch deutlich bessere Rundenzeiten ergibt.

Motorreglement blieb unverändert

Bei den Triebwerken hat sich gegenüber dem Vorjahr nichts Wesentliches verändert. Die Hybrid-Motoren sind vom Reglement her die selben wie in den vergangenen Jahren.

Die Frage ist aber natürlich: Was können die Teams aus dem im Regelwerk vorgebenen Rahmen herauspressen?

Wie viel Drehzahl, wieviel Drehmoment, natürlich aber auch: wie viel PS können generiert werden?

Hier haben natürlich sämtliche Teams bzw. Motorenhersteller über den Winter kräftig weiterentwickelt. Dies betrifft sowohl die bloße Power als auch die Standhaftigkeit. Gerade Renault und McLaren mit dem Honda-Motor hatten da ja in der vergangenen Saison gewaltige Probleme.

Obwohl es vom reinen PS-Vergleich her keine großen Unterschiede gibt: Knapp 1.000 PS leistet der Mercedes-Motor, Ferrari und Renault kommen auf 960 bis 980 Pferdestärken.

Chassis als völliges Neuland

Die entscheidende Frage für die heurige Saison aber ist und bleibt das Chassis. In Verbindung mit den nun deutlich breiteren Reifen sind die stark umgestalteten neuen Formel-1-Boliden für die Ingenieure am Reißbrett wohl die größte Herausforderung gewesen.

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  • Die Frage ist, wer die Änderungen am besten ausgenutzt und vielleicht auch Schlupflöcher im Reglement gefunden hat. Auf ein solches deutet etwa die «Heckfinne» hin, die bei den Teams völlig unterschiedlich groß ausgefallen ist.

    Auch die Ausnutzung des Fahrtwindes für Kühlung und aerodynamisch vorteilhafte Umströmung des Boliden hat unterschiedliche Lösungsansätze gebracht, wie man etwa beim «Nasenloch» des neuen Ferrari sehen kann.

    Die Teams und ihre Boliden im Überblick

    Wer aber hat nun das beste Gesamtpaket? Darüber geben die Tests in Barcelona nur bedingt Aufschluss. Denn schließlich wird bei diesen Vorsaison-Tests auch sehr viel getrickst und geblufft. Nicht immer wird die volle Motorleistung abgerufen, oft sind Teile, die sich im Windkanal bereits als sehr vorteilhaft herausgestellt haben, noch gar nicht montiert. Eine starke Leistung aber lässt sich nicht herbeitricksen und wer Probleme mit der Standfestigkeit hat, wird wohl auch nicht bluffen.

    Mercedes

    Das Weltmeisterteam brachte in Barcelona eine solide Leistung. Lewis Hamilton und sein neuer Teamkollege Valtteri Bottas waren mit mehr als 1.000 gedrehten Runden die fleißigsten Fahrer. An der Spitze liegen sie allerdings bei den Rundenzeiten nicht – da fehlen drei Zehntel auf Ferrari.

    Angeblich soll es Probleme mit einigen der Updates gegeben haben.

    Die Frage ist aber: Wie viel Gas hat Mercedes wirklich gegeben – ist das schon alles, was der neue Renner kann? Die Antwort erhalten wir erst in Melbourne.

    Ferrari

    Bei den roten Rennern aus Maranello ist eines klar: Sie präsentieren sich bärenstark. Räikönnen und Vettel fuhren in Barcelona die deutlich schnellsten Rundenzeiten und auch die Standfestigkeit machte keine Probleme.

    Rennsimulationen sind problemlos abgelaufen. Beobachter meinen, die Roten hätten Mecedes schon überholt, doch – siehe oben: Niemand weiß wieviel Bluff bei der Mercedes-Performance dabei war.

    Red Bull

    Mittelprächtige Rundenzeiten, letzter Platz bei der Top Speed. Von Red Bull hat man sich eigentlich mehr erwartet.

    Aber angeblich soll Technikgenie Adrian Newey an so manchem neuen Teil noch arbeiten, das daher gar nicht nach Barcelona mitgenommen wurde. Das Sorgenkind bei Red Bull bleibt der von Renault gelieferte Motor mit seinem deutlichen PS-Defizit gegenüber Ferrari und Mercedes.

    Ob das Chassis und ein genialer Einfall von Newey das wettmachen kann, wird sich erst zu Saisonbeginn zeigen.

    Williams

    Eindeutig der erste Verfolger der «großen Drei». Mit der Kraft des Mercedes-Motors im Rücken hämmerten Lance Stroll und Felipe Massa einige beeindruckende Rundenzeiten in den Asphalt, im Long Run gibt es aber Probleme. Auch die Aerodynamik scheint nicht vom Feinsten zu sein.

    Force India

    Zuverlässig und kraftvoll zeigt sich auch das dritte Mercedes-bestückte Team. Force India dürfte allerdings mit dem Setup erhebliche Probleme haben, denn auf Augenhöhe mit Williams befand man sich nicht.

    Positives Zeichen: Zwischen erster und zweiter Testwoche war eine deutliche Steigerung zu erkennen, einige Probleme dürften behoben worden sein.

    Haas

    Beim Newcomer-Team aus den USA funktioniert relativ wenig. Gröbere Probleme mit der Balance sind ebenso wenig behoben wie die mangelnde Standfestigkeit. In Barcelona schaffte Haas keine vollständige Rennsimulation.

    Renault

    Das Auto ist unzuverlässig, das Setup höflich formuliert verbesserungsbedürftig. Mit dieser Vorstellung kann Renault in den ersten Rennen von Punkterängen wohl nur träumen.

    McLaren

    Mit der orangen Farbe wollte man an glorreiche Zeiten anschließen. Die waren aber in den 1950ern, als Teamgründer McLaren mit einem orangen Gefährt zum Titel fuhr.

    Heute heißt es kleine Brötchen packen: Keine Power im Honda-Motor, fehlende Zuverlässigkeit.

    Fernando Alonso betont undiplomatisch: «Mit dieser Power kann ich jede Kurve Vollgas fahren.» Mehr ist dazu wohl nicht zu sagen.

    Toro Rosso

    Die Junioren aus dem Hause Red Bull kämpfen vor allem mit der Zuverlässigkeit, die besserte sich aber zusehends. Wenig berauschend blieben hingegen die Rundenzeiten. Wenn man hier nicht noch deutlichere Verbesserungen erreicht, wird’s für die Jungbullen wohl nur selten Punkte geben.

    Sauber

    Neuer Eigentümer, frisches Kapital für die Schweizer. Und das Ergebnis? Grottenschlechte Rundenzeiten mit dem alten Ferrari-Motor. Da soll es ein Defizit von bis zu 70 PS geben. Und das Chassis macht das auch nicht wett. Sieht nach Schlusslicht aus.

    Fazit

    Die Saison wird spannend werden. Bei den neuen Formel-1-Boliden ist einiges zu erwarten und vielleicht auch einige Enttäuschungen, die weggesteckt werden müssen.

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