Ganzjahresreifen sollen bei Schnee und Matsch genauso sicher sein wie bei strahlendem Sonnenschein und warmer Witterung. Aber was taugen Ganzjahresreifen im Winter wirklich, vor allem in den Alpen? Halten die Alleskönner, was die Hersteller versprechen? Der aktuelle Test kam zu dem Schluss: bedingt.
Modelle im Test: 9 Ganzjahresreifen im Winter der Grösse 205/55 R16
Für den Test haben sich der Verkehrsclub ACE, die technische Prüfgesellschaft GTÜ und der Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreich (ARBÖ) zusammengetan. Um es gleich vorwegzunehmen: Einige Ganzjahresreifen sorgen tatsächlich ganzjährig bei mitteleuropäischen Witterungsverhältnissen für Fahrspass und Sicherheit.
Die getesteten Modelle wurden danach ausgewählt, dass sie weitverbreiteten Fahrzeugen wie dem BMW 2er Gran Tourer oder dem Hyundai Bayon, dem Mazda3, dem Opel Crossland oder dem Renault Mégane passen. Ganzjahresreifen haben aktuell einen Marktanteil von etwa 27 Prozent, sie sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Die Gründe liegen auf der Hand: Der lästige Reifenwechsel fällt weg, damit verbunden Wartezeiten, Zusatzkosten und das Einlagern von gerade nicht genutzten Reifen.
Die Reifen mussten sich sowohl bei winterlichen Strassenbedingungen in Finnland als auch im spanischen Sommer bewähren. Damit sind die meisten Wetterlagen, die ein Ganzjahresreifen in Mitteleuropa meistern muss, abgedeckt. Die Reifen konnten in vier Kategorien Punkte sammeln, die die Gesamtbewertung ausmachten:
- Winter: Traktion, Schnee, Handling bei Schnee (maximal 80 Punkte)
- Nässe: Bremsen, Handling, Verhalten bei Aquaplaning (mximal 80 Punkte)
- Trockenheit: Bremsen udn Handling (maximal 60 Punkte)
- Wirtschaftlichkeit: Vorbeifahrgeräusche, Rollwiderstand (maximal 30 Punkte)
Somit konnten die Reifen maximal 250 Punkte im Test holen. Wie die Ganzjahresreifen im Winter und bei Nässe reagieren, wurde aufgrund der erhöhten Anforderungen an die Sicherheit deutlich höher bewertet als die anderen beiden Kategorien.
Die ersten drei Plätze: Gar nicht so schlecht!
Auf Platz 1 landete der Michelin Cross Climate 2, erhältlich ab etwa 170 Franken. Der Ganzjahresreifen erhielt eine Gesamtbewertung von 196 von 250 Punkten und bekam das Urteil «sehr empfehlenswert». So sah die Bewertung im Einzelnen aus:
- Sicherheit Winter: 63/80
- Sicherheit Nässe: 59/80
- Sicherheit Trockenheit: 45/60
- Wirtschaftlichkeit: 28/30
Plazt 2 belegte der Continental All Season Contact mit 184 von 250 Punkten. Der Ganzjahresreifen ist immer noch empfehlenswert und kostet ab 160 Franken. So sah die Bewertung aus:
- Sicherheit Winter: 57/80
- Sicherheit Nässe: 60/80
- Sicherheit Trockenheit: 42/60
- Wirtschaftlichkeit: 25/30
Mit dem dritten Platz schnitt der Nokian Season Proof bei 182 von 250 Punkten immer noch sehr gut ab, zudem dieser Ganzjahresreifen mit 150 Franken sehr günstig ist. Das sagt die Wertung in den vier Kategorien:
- Sicherheit Winter: 61/80
- Sicherheit Nässe: 54/80
- Sicherheit Trockenheit: 42/60
- Wirtschaftlichkeit: 25/30
Auf Platz 4 landete der Goodyear Vector 4 Seasons Gen. 3, der Vredestein Quatrac Pro wurde auf Platz 5 gesetzt, und Platz 6 belegte der Bridgestone Weather Control A005 Evo. Auch diese drei Reifen sind aufgrund ihrer Bewertung insbesondere in den Kategorien «Winter» und «Nässe» zumindest bedingt empfehlenswert.
1 Ganzjahresreifen ist im Winter nicht empfehlenswert
Der Toyo Celsius wurde mit 149 von 250 Punkten bewertet und damit als «nicht empfehlenswert» eingestuft. Die Sicherheit im Winter lag bei diesem Ganzjahresreifen nur noch bei 50 von 80 Punkten, bei Nässe waren es sogar nur 41 von 80 Punkten. Damit kann der Reifen als durchgefallen betrachtet werden.
Allwetterreifen sind immer Kompromisse
So praktisch die Ganzjahresreifen sind: Sie stellen trotz der zufriedenstellenden Testergebnisse immer nur einen Kompromiss dar. Denn die Reifen müssen sämtliche Witterungsverhältnisse abdecken. Im Klartext bedeutet das: Bei winterlichen Strassenverhältnissen werden Winterreifen immer besser abschneiden als Ganzjahresreifen. Sommerreifen bieten bei aufgeheizter, trockener Fahrbahn immer ein besseres Fahrgefühl und Handling als Ganzjahresreifen.
Das liegt an den jeweils verwendeten Gummimischungen und dem Profil. Beide sind für Fahr- und Bremsverhalten sowie für die Haftung essenziell. Im Sommer müssen die Reifen Wasser beiseite drücken und sind aus diesem Grund mit mehr und breiteren Rillen in Längsrichtung ausgestattet im Vergleich mit Winterreifen. Das gröbere Profil und die harte Gummimischung sorgen auf trockener, heisser Fahrbahn für weniger Abrieb und damit mehr Grip. Der Reifen heizt sich im Kontakt mit der Fahrbahn im Sommer auf – deshalb muss das Gummi härter sein.
Im Winter dagegen ist die Fahrbahn kalt, der Reifen heizt sich nicht so sehr auf. Eine weichere Gummimischung ist jetzt zielführend, denn sie bietet mehr Haftung. Zusatzstoffe wie Silica halten die Gummimischung bei Kälte elastisch, sodass die Reifen nicht spröde werden. Die feine Lamellenstruktur von Winterreifen ist ausgeprägt und und bietet vor allem bei verschneitem Untergrund und bei Eis guten Halt.
Ganzjahresreifen haben weder das ausgeprägte Profil mit den breiten Längsrillen der SSommerreifen nochdie feine Lamellenstruktur von Winterreifen. Sie liegen dazwischen, um in beiden Extremfällen noch halbwegs zu taugen. Die Gummimischung ist so gewählt, dass sie sich bei heisser Fahrbahn im Sommer nicht sofort verabschiedet, aber auch im Winter noch halbwegs elastisch bleibt.
Fazit: Ganzjahresreifen im Winter werden immer besser, bleiben aber Kompromisse
Die Bewertung in den vier Kategorien zeigt deutlich, dass in den Ganzjahresreifen von Michelin, Continental und Nokian eigentlich recht viel Winterreifen steckt. Die Reifen sind bei Schnee griffig und haben eine gute Seitenführung. Ganzjahresreifen im Winter können also durchaus taugen, auch wenn sie immer etwas schlechter abschneiden als die Winterspezialisten unter den Reifen.
Die Entwicklung spezieller Gummimischungen geht weiter, und die Hersteller bemühen sich auch um immer bessere Profile. Allwetterreifen sind in den letzten Jahren immer besser geworden, und der Trend wird sich in der Zukunft fortsetzen.