Du hast deinem Auto einen Spitznamen gegeben, streichelst es ab und an liebevoll oder es kommt dir gar so vor, als hättest du dich in dein Auto verliebt? Du fragst dich, ob dies normal oder auf eine seltsame Art und Weise abnorm ist?
Dann sei beruhigt: Es ist vollkommen normal, dass sich Besitzer in ihr Auto verlieben! Warum das so ist, erfährst du im Folgenden.
Warum sind Menschen in ihre Autos verliebt?
Es kursieren viele Anekdoten über Autobesitzer, die viel Zeit und Liebe in die Pflege ihres Fahrzeugs investieren – nicht selten zum Leidwesen der jeweiligen Partnerin oder des Partners. Der letzte Satz impliziert bereits: Auch Frauen können eine tiefe emotionale Bindung zu ihrem Pkw aufbauen.
Das Klischee des Autonarren, der beim Polieren mit seinem Auto zärtlicher umgeht als mit seiner Freundin, kann prinzipiell für beide Geschlechter gelten.
Was geschieht mit dir, wenn du in dein Auto verliebt bist?
Menschen sind in der Lage, alle möglichen Dinge zu lieben: Menschen, Tiere, Gegenstände. Die geliebten Objekte müssen noch nicht einmal mit hinreichend belegbarer Sicherheit existieren, die Liebe zu Gott oder anderen metaphysischen Wesen ist ein Beispiel dafür.
Darüber, was Liebe ist und was sie ausmacht, haben Autoren unzählige Bücher und Romane verfasst.
Die Wissenschaft hat das Gefühl ebenso erforscht und verschiedene Theorien aufgestellt, die einander nicht ausschliessen, sondern ergänzen.
Der US-amerikanische Psychologe Robert Sternberg entwickelte die «Dreieckstheorie der Liebe» und erklärt mit ihr das Gefühl aus einem Zusammenspiel aus drei Faktoren: Vertrautheit, Leidenschaft und Bindung.
Andere Ansätze ziehen das vormals kindliche Bindungsverhalten zu den Eltern heran und/oder beziehen die neurobiologischen und -chemischen Abläufe im menschlichen Gehirn in ihre Erklärungsmodelle ein.
Die Dreieckstheorie der Liebe
Legen wir den Fokus auf die Dreieckstheorie: Vertrautheit, Leidenschaft und Bindung. Die meisten Besitzer eines Kraftfahrzeugs dürften diese Begriffe mit ihrem Auto in Verbindung bringen.
Da ist beispielsweise die Vertrautheit, wenn du an ein bestimmtes Fahrzeug gewöhnt bist und genau weisst, wie es sich in bestimmten Situationen verhält. Wie kannst du eine Kurve nehmen, wie sicher bewegst du es durch widrige Wetterverhältnisse? Es lässt sich der Schluss ziehen, dass diese Vertrautheit notwendig ist, damit du ein sicherer Fahrer bist.
Der zweite Aspekt, die Leidenschaft, beschreibt, was dich motiviert. Die Leidenschaft steht mit der Vertrautheit in Wechselwirkung, aber sie ist weniger eine emotionale, sondern eine motivierende Komponente. Sie sorgt beispielsweise dafür, dass du dein Auto regelmäßig pflegst und Schäden vermeidest.
In der Dreieckstheorie stellt die Bindung die letzte Säule dar: Psychologen unterscheiden zwischen einer kurz- und einer langfristigen Bindung. Dieser geht eine oft unbewusste Entscheidung voraus. Du kannst dich dazu entschliessen, dich kurz- oder langfristig zu binden. In Bezug auf Kraftfahrzeuge lässt sich die erste Variante auf Pkw-Besitzer übertragen, die regelmässig ihr Fahrzeug wechseln, aber dennoch eine erstaunlich tiefe Bindung zu ihren Autos aufbauen.
Das Auto als Teil deiner Persönlichkeit
Obwohl die Dreieckstheorie eine gute Erklärung dafür bietet, warum du in dein Auto verliebt sein kannst, bietet es sich an, noch eine weitere Theorie zu ergänzen: die Theorie der Selbstverifikation.
Diese besagt, dass Menschen dazu neigen, solche Dinge zu mögen oder gar zu lieben, die uns in unserem Selbst bestätigen. Daraus folgt, dass du dein Auto (oder andere Gegenstände) als einen Teil deiner eigenen Identität und Persönlichkeit bewerten kannst.
Autos sind beispielsweise Statussymbole und dazu müssen sie nicht einmal besonders kostspielig sein.
Eine gepflegte Karosserie, ein wenig Tuning, ein hochwertiges Soundsystem – dies individualisiert dich, hebt dich im sozialen Kontext hervor und grenzt dich von anderen Personen ab.
Apropos Teil deiner Persönlichkeit: Die meisten Autofahrer dürften besondere Erlebnisse mit ihrem Pkw verbinden, wobei es sich nicht zwangsläufig um das aktuell genutzte Modell handeln muss. Vielmehr geht es um die individuelle Mobilität an sich. So verbindest du mit deinem Auto vielleicht Fahrten in aufregende Urlaube, die Entstehung von Beziehungen zu einer neuen Partnerin oder zu einem neuen Partner und andere Erlebnisse, an die du gerne zurückdenkst.
Die positiven Assoziationen schaffen ebenfalls Vertrauen und sorgen für den Aufbau einer Bindung. Kraftfahrzeuge haben eine begrenzte Lebensdauer, doch die Liebe zum Automobil bleibt.
Die Liebe zum Auto als abstraktes Konstrukt
Aus den vorigen Erklärungen lässt sich ableiten, dass weniger die Liebe zu einem bestimmten Modell ausschlaggebend für die tiefe Bindung zum eigenen Auto ist, sondern eher die Zuneigung zum übergeordneten Begriff «Mobilität». Freiheit und Unabhängigkeit sind weitere zentrale Begriffe.
An dieser Stelle lässt sich die Brücke zu anderen Beziehungen schlagen – sogar zu zwischenmenschlichen Liebesbeziehungen.
Sicher hast du eine bestimmte Vorliebe, was die Wahl deines Partners oder deiner Partnerin angeht. Dennoch legst du dich vermutlich niemals auf eine bestimmte Person fest, der deine Liebe exklusiv zuteilwird. Befindest du dich in einer Beziehung, bist du treu und spürst die Bindung. Geht das Verhältnis jedoch wider Erwarten in die Brüche, so bist du vermutlich fähig, dich nach einer gewissen Zeit neu zu verlieben.
Auch bei der Beziehung zu Menschen steht also nicht nur das eigentliche, greifbare Objekt im Mittelpunkt, sondern das Konzept von Beziehungen als solches. Und mit diesem Konzept verbindest du positive Erinnerungen und Emotionen.
Und nichts anderes gilt bei der Zuneigung oder gar Liebe zu bestimmten Objekten wie dem eigenen Auto.
Fazit: Kann man in sein Auto verliebt sein?
Bist du in dein Auto verliebt, ist dies keineswegs bedenklich oder abnorm. Menschen sind in der Lage, sich in verschiedene Dinge zu verlieben – nicht nur in Menschen, sondern auch in Gegenstände.
Vertrauen und Intimität bilden die Grundlage für das Gefühl der Liebe. Wie bei partnerschaftlichen Beziehungen steht weniger ein bestimmtes Objekt im Mittelpunkt, sondern ein übergeordnetes Konzept, mit dem du positive Emotionen assoziierst. Freiheit, Unabhängigkeit, die Möglichkeit, dich selbst zu verwirklichen – Dinge, die dir dein eigenes Auto ohne Zweifel ermöglicht.