In den vergangenen Jahren konnten Motorradfahrer ganz klar den Trend zu Retrobikes beobachten. Café Racer, Bobber oder Scrambler waren lange Zeiten nur fachkundigen Zweiradenthusiasten oder Bastlern ein echter Begriff.
Wer ein so auffälliges Motorrad besitzen wollte, hatte keine Wahl: Eine etwas betagtere Maschine musste umgebaut oder ein fabrikneues Bike mit viel Aufwand verändert werden.
Dazu benötigte es entsprechenden Sachverstand oder einen vollen Geldbeutel, um jemanden zu bezahlen, der die eigenen Wünsche am Einzelstück in die Tat umsetzt.
Das Interesse ist erwacht
Motorradhersteller mit klassisch inspirierten Maschinen, wie z.B. Triumph, brauchten sehr leidensfähige Wirtschaftsprüfer, um das Fortbestehen von Modellen wie der Bonneville oder der Thruxton sicherzustellen.
Erst allmählich zeichnete sich ein Umdenken bei den Kunden ab.
Der klassische Look mit modernster Fahrzeugtechnik kämpfte sich nur langsam zurück in die Köpfe und Herzen der Fahrer. Mittlerweile ziehen die Verkaufszahlen grade dieser Modelle deutlich an.
Nicht jeder verspürt die Lust ein altes Schätzchen fit zu machen. Viele greifen gerne nach einem Motorrad, das althergebracht aussieht, aber gleichzeitig alle Vorzüge der modernen Technik bietet.
Lieber Cruisen statt Rasen – die Präferenzen ändern sich
Ein stylischer Bobber oder Café Racer ist nur bedingt dazu gedacht, auf der Schnellstrasse auf die Jagd nach Höchstgeschwindigkeiten zu gehen.
Genauso wenig, wie klassische Scrambler für üppige Geländetouren herhalten müssen. Dazu gibt es in der heutigen Zeit wesentlich besser geeignete Klassen: Schwere Reiseenduros oder vollverkleidete Supersportler.
Der Reiz liegt für viele Besitzer tatsächlich in einem Motorrad, das sich echt anfühlt, den klassischen Charme versprüht und als Reinkarnation von Leichtigkeit und Freiheit ein Lebensgefühl transportiert. Durch immer umfangreichere Individualisierungsmassnahmen und viel Auswahl bei den Custom-Part Anbietern kann auch jedes neue Heritage Bike weiter veredelt werden.
Einige Hersteller sind schon weiter, andere springen auf den Zug mit auf
Neben den wenigen Anbietern, die sich ihre traditionellen Modelle erhalten haben, drängen nun auch Firmen mit angepassten Modellen auf den Markt, die man dort eher nicht vermutet hätte.
So besinnen sich z.B. BMW oder Ducati auf ihre eigene Vergangenheit und bieten mit Modellen wie der nineT oder den Scramblern frische Motorräder an.
Jedenfalls sind sie technisch frisch. Optisch wirken sie ganz gezielt wie aus den 50ern, 60ern oder 70ern. Ohne irre Leistungsorgien und mit Designelementen alter Renn- oder Strassenmaschinen, beleben bekannte Hersteller ihre eigene Vergangenheit mit den Retrobikes.
Auf eine Verkleidung oder hochtechnisierten Schnickschnack wird dabei gezielt verzichtet. Wichtig ist, dass es nach alter Tradition aussieht.
Die Fahreigenschaften sind aber natürlich deutlich besser (und sicherer) als bei den Urvätern der jungen Generation. So verbindet sich das Beste aus zwei Welten in diesem neuen Trend.
Welcher Stil darf es sein?
Wer durch die Schauräume beim Händler oder die zahlreichen Motorradmessen schlendert, kann sie nicht mehr ausblenden: Klassiker im modernen Design.
Die Retrobikes bedienen sich der früher etablierten Klassenverteilung.
Kurze Stummellenker, ein dominierender Einzelscheinwerfer und offene Schalldämpfer sind klare Hinweise darauf, dass man einen Café Racer vor sich stehen hat. Beginnend in den 1960ern begannen Englische Fahrer mit dem gezielten Umbau ihrer Maschinen für die kurzen Ausfahrten zur Eisdiele – oder eben ins Café.
Auch Bobber eignen sich weniger für lange Touren, sondern haben mit ihrer geduckten Statur, breitem Flachlenker, Speichenrädern und einem Einzelsitz eher repräsentative Qualitäten.
Die Scrambler wirken mit ihren grobstolligen Pneus schon eher geländegängig und robust. Aber auch sie haben ihr Revier eher auf dem Asphalt als auf unwegsamen Pisten.
Doch auch neue Schöpfungen sind nicht selten bei den Retrobikes. So zeigt Husqvarna unter der Feder von KTM mittlerweile sehr interessante Modelle, die die Designelemente gut in einen neuen Einklang bringen.
Der Markt schielt auf das Customizing
Kunden, die sich ein Retrobike vom Band gönnen, sind normalerweise bewusste Geniesser mit gewissen Ansprüchen.
Wer selbst schrauben kann und will, ist klar in der Minderheit und wird sich eher für einen echten Oldtimer entscheiden. Das wissen auch die Motorradhersteller und entdecken zunehmend die Individualisierung ihrer eigenen Produkte für sich.
Schliesslich gibt es nichts Ärgerlicheres als wenn vor dem Café zweimal die genau gleiche Maschine steht. Demzufolge wächst auch das Angebot an Customparts und Sondereditionen stetig.
Warum soll man also die Kunden nicht gleich ab Werk versorgen, oder durch ein paar Handgriffe in der Werkstatt des eigenen Vertragshändlers glücklich machen?
Weiteres Wachstum ist abzusehen
Die schicken Maschinen sind für die Anbieter eine wichtige Einnahmequelle. Motorradfahren wird zunehmend zum Luxus und Hobby. Die Anzahl an Menschen, die wirklich auf die Mobilität der Zweiräder angewiesen sind, sinkt stetig.
Die Retrobikes werden ihren Siegeszug also ziemlich sicher weiter fortsetzen. Die kurze Runde mit der schicken Maschine bei schönem Wetter ist nämlich ebenso nicht zu verachten.
Auch als Ergänzung des schon vorhandenen Fuhrparks eignen sich die nostalgisch hergerichteten Modelle.
Und wer weiss: Vielleicht erwacht bei einigen Liebhabern erst dadurch die Lust an den wirklichen Old- und Youngtimern. So werden dann auch diese Schätzchen weiter mit Liebe und Herz gepflegt.